George A. Bonanno
Jahrzehntelange Forschung hat immer wieder gezeigt, dass das häufigste Ergebnis nach einem potenziellen Trauma gesundes und stabiles Funktionieren bzw. Resilienz ist.
Versuche, Resilienz vorherzusagen, zeigen jedoch ein Paradox: Die Zusammenhänge zwischen Resilienz und zahlreichen Einflussfaktoren sind im Allgemeinen so gering, dass es nicht möglich ist, genau zu bestimmen, wer nach einem potenziellen Trauma resilient sein wird und wer nicht. Viele der eingesetzten Fragebögen zur Resilienz ignorieren dieses Paradox, indem sie nur einige wenige, aber mögliche wichtige Einflussvariablen erfassen. Die Fragebögen haben jedoch praktisch keinen prädiktiven Nutzen. Der gegenteilige Ansatz, nämlich die Erfassung möglichst vieler Einflussvariablen, deren Einfluss dann mittels multivariater Analyse oder maschinellem Lernen ausgewertet wird, kann das Paradox ebenfalls nicht vollständig lösen. Bei näherer Betrachtung der geringen Effekte lassen sich zwei Hauptgründe für die mangelnde Vorhersagekraft ausmachen: die situationsbedingte Variabilität und die Kosten-Nutzen-Abwägungen, die allen Verhaltensweisen innewohnen. Zusammengenommen deuten diese Überlegungen darauf hin, dass die Verhaltensanpassung an traumatischen Stress ein kontinuierlicher Prozess ist, der eine flexible Selbstregulierung erfordert. Zu diesem Zweck werden neuere Forschungen und Theorien zur flexiblen Selbstregulierung im Kontext der Resilienz diskutiert und nächste Schritte skizziert.
Bonanno, G. A. (2021). The resilience paradox. European Journal of Psychotraumatology, Vol. 12, Nr. 1.
https://doi.org/10.1080/20008198.2021.1942642
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