Dr. Colin Murray Parkes 

Ich (Colin Murray Parkes)* empfinde es als Privileg, mitverfolgen zu dürfen, wie die Situation von Hinterbliebenen in den letzten Jahrzehnten zu einem Thema für die Wissenschaft wurde. Ich durfte viele der Pioniere in diesem Bereich persönlichen kennenlernen und daran mitwirken, den gemeinsamen Weg zu bahnen. In diesem Kapitel will ich die aus meiner Sicht wichtigsten Meilensteine dieses Weges vorstellen und daraus anschließend einige Schlussfolgerungen ziehen.

Forschungsarbeiten, die das Verständnis von Trauer wesentlich bereichert haben, haben ihren Ursprung in unterschiedlichen Ansätzen. Diese können grob unterteilt werden 1. in Studien, die Verluste und ihre Auswirkungen untersuchen, 2. in Studien, die die Bindungen zwischen den Menschen untersuchen, die diese vor dem Verlust zueinander hatten und 3. in Studien, die sich mit verschiedenen Formen psychologischer Traumata befassen. In aller Regel berücksichtigten die Forschungsarbeiten des jeweiligen Feldes die des anderen bislang nur wenig. Dadurch ist eine Fülle an Literatur beispielsweise über die Psychopathologie und Phänomenologie von Verlustreaktionen entstanden, die der Literatur über Bindung und kindlicher Entwicklung oder jener über die Psychologie und Physiologie von Stress wenig Beachtung schenkte. Doch nur wenn alle Forschungsbereiche integriert werden, können wir einen ausgewogenen Blick auf die Situation von Hinterbliebenen gewinnen. 

Zum Teil ist die mangelnde Integration sicherlich darauf zurückzuführen, dass die beteiligten Forscher aus verschiedenen Fachgebieten stammen. Allgemeinmediziner, Kinderärzte, Psychiater, Psychoanalytiker, Psychologen, Soziologen, Anthropologen, Verhaltensforscher, Physiologen und Endokrinologen haben wichtige Beiträge zu unserem Verständnis von Trauer geliefert. Sie haben dies aus ihrer jeweils spezifischen Sichtweise und in einer ihnen eigenen Sprache getan. Dies führte unvermeidlich dazu, dass Ergebnisse isoliert und fragmentiert blieben, da Forscher diese nur innerhalb ihres eigenen Bezugssystems kommunizierten. Und es führte zu Verwirrung und Unstimmigkeiten, da Forscher einer Disziplin voraussetzen, dass andere ihre Sprache und Sichtweise teilen müssten. So kommt es, dass Psychologen den Ärzten vorwerfen, sie würden Trauer als Krankheit behandeln; dass Soziologen die Psychologen dafür kritisieren, dass sie Schlussfolgerungen mit Anspruch auf Universalität formulieren, dabei jedoch nur eine bestimmte Kultur berücksichtigen; dass Psychiater die Allgemeinmediziner beschuldigen, die Psyche zu vernachlässigen oder dass Verhaltensforschern allen anderen Anthropozentrismus vorwerfen. Auch wenn dies nicht immer einfach ist: In Anbetracht dieser Situation lohnt es sich ganz sicher, sich über diese Begrenzungen hinweg zu verständigen. Und Bücher wie das vorliegende, welches Forscher aus vielen verschiedenen Disziplinen und mit unterschiedlichen Standpunkten vereint, können viel dazu beitragen, dass wir unsere Scheuklappen abnehmen und unseren Blickwinkel erweitern. 

*(Einfügung der Übersetzerin)

Parkes, Colin Murray: "A historical overview of the scientific Study of bereavement", in: Stroebe, M. et al. (2001): Handbook of bereavement research. Consequences, coping, care, S. 25-45.

Die komplette Arbeit ist zu finden:
Bei Interesse am gesamten englischsprachigen Artikel wenden Sie sich bitte an h.willmann@trauerforschung.de