Darcy Harris

Trauer wird gewöhnlich als persönliche Reaktion auf einen Verlust verstanden. Daher besteht die Tendenz, Trauer als eine individuelle Erfahrung zu betrachten, die in der Regel mit dem Tod eines geliebten Menschen zusammenhängt.

Neuere Forschungen und Theorien zeichnen jedoch ein viel komplexeres Bild von Trauer. So kann sie als eine umfassende, interdimensionale Erfahrung verstanden werden, die sowohl auf der Mikro-, Meso- als auch auf der Makroebene erzeugt und erlebt werden kann. In diesem Zusammenhang wird Trauer als Folge von Ereignissen betrachtet, die auf der gesellschaftspolitischen Ebene stattfinden und sowohl individuell als auch kollektiv erlebt werden können. Kollektive Trauer kann auftreten, wenn sich der Verlust auf eine Gruppe bezieht und deren gemeinsame Grundannahmen erschüttert. Das Konzept der politischen Trauer kann betrachtet werden als eine intensive Erschütterung der Grundannahmen, die auftreten kann, wenn Menschen an der Ideologie und den Praktiken ihrer Regierungsorgane und den politischen Machthabern zu zweifeln beginnen. Ebenso würde politische Trauer auch die unmittelbaren persönlichen Verluste einschließen, wenn diese als Folge politischer Maßnahmen, Ideologien und Unterdrückung entstehen. Verschiedene theoretische Perspektiven (die Theorie des kulturellen Backlash, die Rolle wirtschaftlicher Ungleichheit in wichtigen Sektoren und die Vorhersage von Reaktion auf Bedrohungen durch die Theorie des Terrormanagements) können dazu beitragen, den Aufstieg von Regierungen zu verstehen, die die Spaltung verstärken und damit in-nerhalb großer Gruppen ein Gefühl des Verlusts in ihrem Einflussbereich erzeugen.

Harris, D. (2022). Political Grief. Illness, Crisis & Loss, Vol. 30, Nr. 3, S. 572-589. https://doi.org/10.1177/1054137321999793

Bei Interesse am gesamten Artikel wenden Sie sich an h.willmann@trauerforschung.de und nennen Sie Autor*innen, Jahr und den Titel der Veröffentlichung.