Mary-Frances O’Connor, Brian J. Arizmendi

Fragestellung: Aus vielen Forschungsbereichen kommend verdichten sich die Belege dafür, dass Komplizierte Trauer (KT) ein eigenständiges Störungsbild ist. Bisherige Forschungsergebnisse aus dem Bereich der Neuropsychologie zeigen, dass Personen, die an Komplizierter Trauer leiden, dazu tendieren, stark auf emotionale Reize zu reagieren. Diese Studie versucht das Verständnis von Komplizierter Trauer zu erweitern und betrachtet die spezifischen Merkmale von KT genauer.

Wir vertiefen die bisherigen Forschungsergebnisse, indem wir (a) Menschen im höheren Erwachsenenalter untersuchen, (b) Personen mit einer gleichzeitig bestehenden depressiven Erkrankung ausschließen, (c) trauerbezogene Stimuli verwenden, welche von den Versuchspersonen selbst ausgewählt wurden und (d) mit einer Kontrollgruppe aus verheirateten, nicht von Verlust betroffenen Personen arbeiten.
Methoden: An der Studie nahmen 76 ältere Personen teil, die in drei Gruppen eingeteilt wurden: Verwitwet, leiden an Komplizierter Trauer; verwitwet, leiden nicht an Komplizierter Trauer; nicht verwitwet (Kontrollgruppe). Untersucht wurde das Leistungsverhalten bei der Wisconsin Card Sorting Task (Test zur Erfassung der abstrakten Denkfähigkeit und der kognitiven Flexibilität), dem Digit Span Backwards (Test zur Beurteilung der Arbeitsgedächtniskapazität) und dem Emotional Counting Stroop (Test zur Beurteilung von Aufmerksamkeitsprozessen).
Ergebnisse: Bei drei Durchgängen des Emotional Counting Stroop mit trauerbezogenen Wörtern zeigten Personen mit Komplizierter Trauer durchgängig längere Reaktionszeiten. Bei drei Durchgängen mit neutralen Begriffen zeigten sich hingegen keinerlei Unterschiede. Alle drei Personengruppen zeigten bei den anderen neurokognitiven Aufgaben vergleichbare Leistungen. Es scheint also in Bezug auf das Arbeitsgedächtnis oder die Fähigkeit, flexibel zwischen unterschiedlichen Aufgaben, Tätigkeiten oder mentalen Zuständen zu wechseln keine kognitiven Unterschiede zu geben. Diese Effekte von Komplizierter Trauer scheinen also auch auf ältere Menschen zuzutreffen und unabhängig von einer depressiven Erkrankung zu sein.
Diskussion: Komplizierte Trauer führt zu ganz speziellen kognitiven Hemmungen und diese neuropsychologische Komponente zeigt, dass sie sich von nicht-komplizierter Trauer abgrenzen lässt.

O’Connor, Mary-Frances; Arizmendi, Brian J. (2014): “Neuropsychological correlates of complicated grief in older spousally bereaved adults”, in: Journals of Gerontology, Series B: Psychological Sciences and Social Sciences, Vol. 69, Nr. 1, S. 12–18.

Bei Interesse finden Sie den gesamten englischsprachigen Artikel hier als PDF-Download.

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