Maarten C. Eisma

Die anhaltende Trauerstörung (Prolonged grief disorder, PGD) ist gekennzeichnet durch schwerwiegende, langanhaltende und beeinträchtigende Verlustreaktionen. Es wird diskutiert, sie als Krankheitsbild in die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme (International Statistical Classification of Diseases; ICD-11) aufzunehmen.

Eine vergleichbare Störung namens Persistent Complex Bereavement Disorder (PCBD) wurde zur weiteren Erforschung in das DSM 5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) aufgenommen. Die Einführung von Diagnosen für “pathologische Trauer” können zu einer Stigmatisierung der Betroffenen führen. Darüber hinaus wird angenommen, dass Personen, die stark um einen Menschen trauern, der nicht zur Familie gehört hat, noch stärker stigmatisiert werden (Stichwort “Disenfranchised Grief”). Doch beides wurde bis heute nicht untersucht. Um diese Wissenslücke zu schließen, wurden 379 Erwachsene aus der Allgemeinbevölkerung gebeten, eine Fallgeschichte zu beurteilen. Nach dem Zufallsprinzip erhielt jeder Teilnehmer eine von vier verschiedenen Fallvignetten (eine Person, die um einen Freund trauert, einmal mit und einmal ohne Diagnose einer Trauerstörung; eine verwitwete Person mit und ohne Trauerstörung). Nach der Lektüre der Vignetten wurden die Teilnehmer befragt, 1) Welche Eigenschaften sie der Person zuschreiben würden, 2) Wie sie emotional auf die Person reagieren würden und 3) Wieviel Distanz sie sich zu der Person wünschen würden. Es zeigte sich deutlich, dass Personen mit einer Diagnose mehr negative Eigenschaften zugeschrieben wurden und dass sie mehr Ärger und Angst aber auch pro-soziale Gefühle wie Mitleid hervorriefen. Ebenso war der Wunsch nach sozialer Distanz stärker. Damit zeigte sich, dass die Befürchtung ernstzunehmend ist: Die Einführung einer Trauerstörung in die diagnostischen Manuale fördert die Stigmatisierung und hat negative Auswirkungen für die Betroffenen.  

Eisma, Maarten C. (2018): “Public stigma of prolonged grief disorder: An experimental study”, in: Psychiatry Research, 261, p.173-177.

Bei Interesse finden Sie den gesamten englischsprachigen Artikel als PDF-Download unter
https://www.researchgate.net/publication/322213517_Public_stigma_of_prolonged_grief_disorder_An_experimental_study oder wenden Sie sich an h.willmann@trauerforschung.de.

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