Ryann Sowden, Erica Borgstrom, Lucy E. Selman
Weltweit wurde in den Medien intensiv über die COVID-19-Pandemie berichtet. Tod und Trauer standen dabei stets im Fokus der Berichterstattung. Medien geben gesellschaftliche Sichtweisen und Deutungen wider und verfestigen diese.
Sie wirken damit wie eine Linse, die die individuellen Erfahrungen und Einstellungen prägt. Daher ist es von großer gesellschaftlicher Bedeutung, wie über Tod und Trauer im Zusammenhang mit der Pandemie berichtet wird. Wir haben die Berichterstattung über Verluste in Zeitungen analysiert. Hierfür untersuchten wir die sieben meistgelesenen britischen Onlinezeitungen für zwei Wochen im März und April 2020. In einer Dokumentenanalyse wurden alle Artikel, die in diesem Zeitraum über Verlust und Trauer im Zusammenhang mit COVID-19 erschienen, qualitativ ausgewertet. Die 55 Artikel wurden mittels kritischer Diskursanalyse und im Hinblick auf die Terror-Management-Theorie untersucht. Letztere beschreibt den psychologischen Konflikt zwischen der Erkenntnis, dass alle Menschen sterblich sind und dem Bedürfnis nach Selbsterhaltung. Durch die Analyse zeigten sich drei zentrale Themen: (1) die Angst vor einem unkontrollierbaren, unbekannten, neuen Virus und den damit einhergehenden ungewissen Folgen, verbunden mit einer sensationshungrigen Sprache, Hilflosigkeit und Verwirrung; (2) die Bewältigung der Unsicherheit und Angst durch den Entwurf von Zukunftsperspektiven und Aufrufe zur Verhaltensänderung, verbunden mit Kriegsmetaphern; (3) Berichte über Verstorbene und Hinterbliebene, die sich einer beschönigenden oder glorifizierenden Sprache bedienten („von uns gegangen“, „Helden“). Die Berichte über Tod und Trauer waren weitgehend ähnlich: Durch die COVID-19-Pandemie erlittene Verluste wurden als eine Abfolge von Tragödien dargestellt. Hingegen gab es wenig praktische Anregungen zum Umgang mit der schweren Erkrankung und dem Tod eines nahen Angehörigen. Die Berichte spiegelten das Spannungsverhältnis wider zwischen der Auseinandersetzung mit einer existenziellen Bedrohung und dem Bedürfnis, diese zu vermeiden oder zu beherrschen. Bislang ist nicht bekannt, welche Auswirkung diese Art der Berichterstattung auf die Bevölkerung hat. Doch wir empfehlen auf jeden Fall eine differenzierte Berichterstattung, damit Hinterbliebene nach dem Tod eines Angehörigen durch COVID-19 besser unterstützt werden.
Sowden, Ryann; Borgstrom, Erica; Selman, Lucy, E. (2021): ‘It’s like being in a war with an invisible enemy’: A document analysis of bereavement due to COVID-19 in UK newspapers, in: PLoS ONE, Vol. 16, Nr. 3: e0247904.
Bei Interesse finden Sie den gesamten englischsprachigen Artikel hier als PDF-Download oder unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0247904