Freya Specht, Max Vöhringer, Christine Knaevelsrud, Birgit Wagner, Nadine Stammel, Maria Böttche
Einleitung: Die anhaltende Trauerstörung (PGD) wurde als neue Diagnose in die ICD-11 aufgenommen und soll auch als eigenständige Diagnose in das DSM-5-TR aufgenommen werden. Um vulnerable Personen besser identifizieren zu können, müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, die das Auftreten einer PGD begünstigen. Doch die Aussagen diesbezüglicher Studien sind nach wie vor uneinheitlich. Darüber hinaus gibt es nur wenige Untersuchungen zum Thema PGD, die arabischsprachige Bevölkerungsgruppen und andere Personen berücksichtigen, die aus Ländern kommen, in denen bewaffnete Konflikte ausgetragen werden und Krieg herrscht. Ziel der Studie war es daher, die Prävalenz von PGD und die damit verbundenen Merkmale in diesen Bevölkerungsgruppen zu untersuchen.
Materialien und Methoden: Insgesamt füllten n = 1.051 trauernde Personen aus arabischsprachigen Bevölkerungsgruppen den PG-13 aus. Dieser Fragebogen war Teil eines Screening-Verfahrens zur psychischen Gesundheit im Rahmen einer Online-Intervention. Eine multiple lineare Regression wurde durchgeführt, um die Faktoren identifizieren zu können, die den Schweregrad der PGD-Symptomatik beeinflussen. Zudem wurde eine multiple logistische Regression durchgeführt, um die Faktoren identifizieren zu können, die die PGD gemäß der PG-13-Diagnosekriterien beeinflussen.
Ergebnisse: Von den Teilnehmenden erfüllten 18,8 % (n = 198) die PGD-Diagnosekriterien, und zwar im Durchschnitt etwa 6 Jahre nach dem Verlust. Die multiple lineare Regression identifizierte acht assoziierte Faktoren für den Schweregrad der PGD-Symptome (Alter, Geschlecht, Anzahl der Verluste, Anzahl der traumatischen Ereignisse, Beziehung zum Verstorbenen, Alter bei Verlust, Beeinträchtigung im ersten Jahr nach dem Verlust, wahrgenommene soziale Unterstützung). Sie erklärten 40,2 % der Varianz [F(17, N=1.033) = 40,82, p < 0,001, R2 = 0,402]. Die multiple logistische Regression ermittelte fünf signifikante Assoziationen mit PGD (Geschlecht, Beziehung zum Verstorbenen, Anzahl der verlorenen Personen, Beeinträchtigung im ersten Jahr nach dem Verlust, wahrgenommene soziale Unterstützung), die 33,0 % (Nagelkerke R2) der Varianz der PGD gemäß der PG-13-Diagnosekriterien erklärten.
Diskussion: Ein erheblicher Anteil der Teilnehmenden erfüllte die PG-13-Kriterien für PGD, was unterstreicht, dass psychotherapeutische Behandlungsangebote in dieser Population unbedingt notwendig sind. Die in unserer arabischsprachigen Stichprobe gefundenen assoziierten Faktoren für PGD stimmen weitgehend mit denen überein, die in Studien aus anderen Regionen gefunden wurden. Die leicht unterschiedliche Anzahl der assoziierten Faktoren zwischen der linearen und der logistischen Regression unterstreicht, dass ein kontinuierlicher Score das Kontinuum zwischen normaler und dysfunktionaler Trauer und damit auch eine Reihe von Faktoren widerspiegelt, die mit der PGD assoziiert sind.
Specht, F.; Vöhringer, M.; Knaevelsrud, C.; Wagner, B.; Stammel, N.; Böttche, M. (2022). Prolonged grief disorder in Arabic-speaking treatment-seeking populations: Relationship with socio-demographic aspects, loss- and trauma-related characteristics, and mental health support, Frontiers in Psychiatry, Volume 13:933848. https://doi.org/10.3389/fpsyt.2022.933848.
Den Artikel finden Sie online unter https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyt.2022.933848/full oder wenden Sie sich an h.willmann@trauerforschung.de und nennen Sie Autor*innen, Jahr und den englischsprachigen Titel der Veröffentlichung.