Michael Duffy, Jennifer Wild
In Fachzeitschriften für das Themengebiet der kognitiven Verhaltenstherapie und auf wissenschaftlichen Tagungen scheint dem Thema Trauer weniger Aufmerksamkeit geschenkt zu werden als anderen emotionalen Zuständen wie Angst oder Depression.
Dabei ist Trauer eine normale menschliche Reaktion nach dem Verlust eines geliebten Menschen. Sie kann unangenehme, eventuell auch extrem belastende Emotionen, psychische Reaktionen wie beispielsweise Intrusionen, sowie körperliche Reaktionen mit sich bringen. Es ist verständlich, dass es Vorbehalte gibt gegen die Einführung der Diagnose anhaltende Trauerstörung und der damit einhergehenden Pathologisierung von Trauer. Die COVID-19-Pandemie hat jedoch das Thema Tod in den Mittelpunkt gerückt, da Millionen von Menschen weltweit unter außergewöhnlichen Umständen einen Verlust erlitten haben. Psychotherapeuten waren aufgefordert, Menschen, die unter prolongierter Trauer litten, wirksame Interventionen anzubieten.
Die kognitive Verhaltenstherapie kann auf jahrzehntelange Forschung und klinische Erfahrung im Zusammenhang mit posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS) zurückgreifen. In diesem Beitrag nutzen wir dieses Wissen und prüfen, inwieweit es sich auch auf prolongierte Trauer anwenden lässt. Die gewonnenen Erkenntnisse für die Behandlung prolongierter und traumatischer Trauer werden vorgestellt. Viele klinische Studien am Oxford Centre for Anxiety Disorders and Trauma und an den Traumazentren Omagh/Queen's an der University Belfast wurden mit Patienten durchgeführt, die einen traumatischen Verlust erlitten hatten (Duffy et al., 2007; Ehlers et al., 2014; Ehlers et al., 2022).
Während der Pandemie hielten die Autoren dieses Artikels mehrere Workshops über prolongierte und traumatische Trauer, in denen Kliniker eine Reihe von Fragen stellten, die zum Nachdenken anregten. Unsere Antworten bilden die Grundlage für diesen Artikel.
(1) Wie können wir zwischen normaler und nicht normaler/ pathologischer Trauer unterscheiden?
(2) Wie sollte pathologische Trauer beschrieben, kategorisiert und bezeichnet werden? Und handelt es sich dabei um eine spezifische und eigenständige Störung?
(3) Wie wirksam sind die bestehenden Therapien für prolongierte und traumatische Trauer? Welchen Beitrag kann die kognitive Verhaltenstherapie hier leisten?
(4) Können unsere Erfahrungen mit der kognitiven Verhaltenstherapie für PTBS (Ehlers et al., 2005) bei prolongierter und traumatischer Trauer hilfreich sein oder braucht es andere Ansätze?
In diesem Beitrag sollen diese wichtigen Fragen beantwortet werden. Wir berücksichtigen dafür historische und theoretische Konzepte im Zusammenhang mit komplexer und traumatischer Trauer und diskutieren Faktoren, die normale Trauer von prolongierter Trauer unterscheiden. Schließlich beleuchten wir, welche Faktoren zur Aufrechterhaltung prolongierter und traumatischer Trauer beitragen und wie sich eine Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie auswirkt.
Duffy, M.; Wild, J. (2023). Living with loss: a cognitive approach to prolonged grief disorder–incorporating complicated, enduring and traumatic grief, Behavioural and Cognitive Psychotherapy, 1-14. DOI: 10.1017/S1352465822000674.
Bei Interesse am gesamten Artikel wenden Sie sich an h.willmann@trauerforschung.de und nennen Sie Autor*innen, Jahr und den englischsprachigen Titel der Veröffentlichung.